Der Belgier Ludo Ooms kümmert sich als Global Integration Leader zurzeit um die Integration des Biotech-Unternehmens Actelion mit Sitz in Allschwil (BL) in die J&J-Grossfamilie. Im Interview spricht er über die kommende AHV-Steuervorlage aus Sicht von Johnson & Johnson.
Herr Ooms, in der Schweiz gehören der Johnson & Johnson-Family über 20 Unternehmen in zehn Kantonen an. Was zeichnet den hiesigen Wirtschaftsstandort für Sie aus?
In der Schweiz finden wir anerkannte Bildungs- und Forschungsinstitutionen, einen grossen Pool an Fachkräften aus dem Life-Science-Bereich, wirtschaftliche Offenheit und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Das ist für Johnson & Johnson zentral.
Die Schweiz steht wegen ihrer Steuerpolitik unter markant zunehmendem Druck, Stichwort «graue Liste» der EU mit Frist bis Ende 2019. Daraus geht hervor: Die Schweiz muss ihre Steuerpraxis ändern – zum Beispiel mit der AHV-Steuervorlage vom 19. Mai. Begrüssen Sie diese Vorlage?
Johnson & Johnson unterstützt eine faire Steuerpolitik, welche innovations- und wachstumsfördernd ist. Deshalb begrüssen wir diesen Reformwillen. Das internationale Steuerumfeld hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert und diesen Änderungen ist Rechnung zu tragen. Johnson & Johnson ist der Ansicht, dass die AHV-Steuervorlage klare Zeichen gegen aussen sendet und die dringend benötigte Rechtssicherheit sowie auch Planbarkeit schafft. Dadurch wird die internationale Akzeptanz des Schweizer Steuersystems wiederhergestellt. Das ist wichtig, damit die Schweiz Unternehmen, welche Arbeitsplätze und Wachstum bringen, halten und anziehen kann, ohne von allfälligen Gegenmassnahmen von anderen Staaten betroffen zu sein.
«Allfällige Gegenmassnahmen von anderen Staaten im Steuerbereich würden diese Sicherheit empfindlich schwächen.»
Gleicht die Schweiz ihre Steuerpraxis nicht an, könnte dem Land gar ein Platz auf der Schwarzen Liste der EU drohen. Was hätte das für Johnson & Johnson und für Ihre Branche zu bedeuten?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig abzuschätzen, ob und welche Sanktionen die Platzierung auf der Schwarzen Liste der EU allgemein für die Schweiz und für Johnson & Johnson mit sich ziehen würde. Ein Reputationsschaden für den Wirtschaftsstandort Schweiz wäre jedoch gewiss. Für in der Schweiz tätige Unternehmen könnte ein Platz auf der Schwarzen Liste der EU jedoch durchaus praktische negative Folgen haben, was zukünftige Investitionen ausserhalb der Schweiz begünstigen könnte. Zum Beispiel, wenn Länder durch diese Liste animiert würden, konkrete Gegenmassnahmen auszusprechen, wie dies zum Beispiel Italien in Bezug auf die Schweiz in der Vergangenheit bereits getan hat.
Mit einem Ja zur AHV-Steuervorlage hält die Schweiz bei internationalen Vereinbarungen Wort und schafft Rechtssicherheit. Welchen Stellenwert hat die Rechtssicherheit für ein international tätiges Unternehmen wie Johnson & Johnson?
Für Johnson & Johnson ist die Rechtssicherheit ein entscheidender Standortfaktor und hat einen entsprechend hohen Stellenwert. Denn Rechtsicherheit bedeutet in erster Linie Planungssicherheit. Die Geschäftsfelder, in welchen Johnson & Johnson tätig ist, erfordern einen hohen Grad an Planungssicherheit, da die Tätigkeiten einerseits mit sehr hohen Investitionen einhergehen und andererseits auch aus regulatorischer Sicht ein hoher Grad an Planungssicherheit notwendig ist. Ein Beispiel: Bis ein pharmakologisches Produkt von der Forschung durch die präklinischen und klinischen Studien zur Marktzulassung geführt werden kann, vergehen oft mehr als zehn Jahre. Rechts- und Planungssicherheit ist somit unabdingbar. Allfällige Gegenmassnahmen von anderen Staaten im Steuerbereich würden diese Sicherheit empfindlich schwächen.
«Global agierende Konzerne dürften in der Regel durch die Vorlage mehr Steuern bezahlen.»
Bei einem JA zur AHV-Steuervorlage am 19. Mai muss die Johnson & Johnson-Family wohl insgesamt mehr Steuern bezahlen. Abzüge werden unter anderem durch Investitionen in Forschung ermöglicht. Aus unternehmerischer Sicht: Weshalb befürworten Sie die Vorlage trotzdem?
Johnson & Johnson erachtet die AHV-Steuervorlage als ausgewogene Reform, welche sich im internationalen Verhältnis als nachhaltig und dennoch attraktiv erweisen wird. Die neu eingeführten Massnahmen wie die Patentbox und der Abzug für Forschung & Entwicklung dürften den Forschungsstandort Schweiz stärken. Davon profitieren alle: Firmen, die Forschung in der Schweiz betreiben, die Arbeitnehmer, welche interessante und gut bezahlte Jobs bei diesen Firmen haben, die Zulieferer und schliesslich auch das Gemeinwesen und die Sozialsysteme. Die AHV-Steuervorlage fördert Wachstum sowie Innovation und wird daher zum Wohlstand aller beitragen.
Was sagen Sie zum Vorwurf, dass Konzerne mit der Vorlage von Steuergeschenken profitieren?
Global agierende Konzerne dürften in der Regel durch die Vorlage mehr Steuern bezahlen. Daher kann keinesfalls von «Steuergeschenken» für Konzerne gesprochen werden. Die neu eingeführten Massnahmen sollen die steuerliche Mehrbelastung von Konzernen zumindest teilweise ausgleichen. Von der Vorlage werden in erster Linie lokale Unternehmen und KMU profitieren.
Johnson & Johnson wurde 1886 als Familienunternehmen in den USA mit 14 Mitarbeitenden zur Herstellung von Medizinprodukten gegründet. 133 Jahre später beschäftigt der Pharmakonzern rund 134 000 Mitarbeitende an über 265 Betriebsgesellschaften weltweit. Auch in der Schweiz ist die «Johnson & Johnson Family», wie sich die Firmengruppe nennt, mit unterschiedlichen Betrieben – von Chemie- bis Biotech-Unternehmen – präsent. Und das nicht zu knapp: über 6000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in insgesamt zehn Kantonen sind heute Teil der Johnson & Johnson Family. Ludo Ooms ist Global Integration Leader Actelion bei Johnson & Johnson.