Nebst Mut, fähigen Mitarbeitenden und einem starken Team waren es nicht zuletzt die guten Rahmenbedingungen, dank derer sich die Bertschi Group aus Dürrenäsch im Kanton Aargau unter Hans-Jörg Bertschi, als globaler Player im Logistikbereich etablieren konnte.
Im Interview erklärt der Unternehmer, wieso die AHV-Steuervorlage am 19. Mai so wichtig ist und weshalb die Politik Sorge tragen sollte zum Wirtschaftsstandort Schweiz. Schon heute, so Bertschi, ist es für Schweizer Firmen ein grosser Nachteil, wenn sie vor Beginn ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland den Nachweis erbringen müssen, zuhause nicht sonderbesteuert zu werden.
Herr Bertschi, was zeichnen gute Rahmenbedingungen eigentlich aus?
Gute Rahmenbedingungen zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass der Staat nicht mehr reguliert, als unbedingt notwendig ist. Innovation und neue Angebote brauchen Freiraum. Heute schränkt die staatliche Bürokratie diesen Freiraum leider immer mehr ein. Wichtig sind auch rasche, unkomplizierte Verfahren der öffentlichen Hand, z.B. für Bauprojekte. Und natürlich spielen auch die Steuern und die Sozialgesetzgebung eine grosse Rolle.
Am 19. Mai kommt die AHV-Steuervorlage zur Abstimmung. Ein Teil der Vorlage beschäftigt sich mit der Firmenbesteuerung. Die privilegierte Besteuerung von Statusgesellschaften soll abgeschafft werden. Weshalb unterstützen Sie als Unternehmer diesen Reformschritt?
Im weltweiten Kontext ist es wichtig, dass die Schweiz ein Land ist, das sich an wichtige internationale Regeln hält. Das ist beim heutigen Steuersystem nicht mehr gegeben. Das führt dazu, dass wir als Schweizer Firma in gewissen Ländern bereits heute spezielle Nachweise bringen müssen, dass wir in der Schweiz nicht der Sonderbesteuerung von Statusgesellschaften unterliegen. Sonst könnten wir keine Geschäfte mehr machen. Wenn die AHV-Steuervorlage nicht angenommen wird, ist wohl mit stärker einschneidenden Restriktionen für Schweizer Firmen im Ausland zu rechnen.
«Faktisch ist es heute schon so, dass einzelne Firmen im Ausland sich den Aufwand nicht machen wollen, Schweizer Lieferanten zu berücksichtigen, die vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit den Nachweis erbringen müssen, dass sie nicht sonderbesteuert sind.»
Bleibt es beim Status Quo, müssen Schweizer Unternehmen im Ausland mit Sanktionen rechnen?
Ja, das Risiko besteht. Faktisch ist es heute schon so, dass einzelne Firmen im Ausland sich den Aufwand nicht machen wollen, Schweizer Lieferanten zu berücksichtigen, die vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit den Nachweis erbringen müssen, dass sie nicht sonderbesteuert sind.
Was heisst das konkret?
Vereinzelte Grosskunden aus der EU dürfen nur Schweizer Firmen einsetzen, die nicht sonderbesteuert sind, also gleich lange Spiesse haben wie EU-Firmen. Das kann dazu führen, dass Schweizer Firmen für Aufträge gar nicht angefragt werden. Bei einem JA zur AHV-Steuervorlage wird die Sonderbesteuerung abgeschafft und damit auch die Abklärungen.
Die AHV-Steuervorlage führt also zu mehr Rechtssicherheit für Firmen. Welchen Wert hat die Rechts- und Planungssicherheit für ein Unternehmen wie die Bertschi AG?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt für uns. Rechtssicherheit ist die Voraussetzung, um in die Zukunft zu investieren.
«Wir unterstützen die Vorlage, weil sie Sanktionen verhindert und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz verbessert.»
Sind die Interessen der KMU und Familienunternehmen in der Vorlage also genügend vertreten?
Als Familienunternehmen werden wir aufgrund der steigenden Dividendenteilbesteuerung und der Tatsache, dass der Kanton Aargau den Steuertarif unverändert lässt, in Zukunft mehr Steuern zahlen als heute. Das wird auch für viele andere KMU’s und Familienunternehmen der Fall sein. Trotzdem unterstützen wir die Vorlage, weil sie Sanktionen verhindert und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz verbessert.
Nebst den Unternehmenssteuern trägt die AHV-Steuervorlage auch der AHV Rechnung. Als sozialer Ausgleich sollen jährlich 2,1 Milliarden an den AHV-Fonds gehen. Ist dieses Paket ein probates Mittel für das Anpacken zweier Baustellen – AHV und Firmenbesteuerung?
Ich denke, das ist ein fairer Kompromiss. Er stellt auch aus Sicht der Sozialpartnerschaft, die ja die Schweiz seit bald 100 Jahren auszeichnet, eine gute Lösung dar.
Die Bertschi AG ist auf der ganzen Welt mit diversen internationalen Niederlassungen tätig Was macht die Schweiz stark? Wo müssen wir aufpassen, damit wir unsere guten Voraussetzungen nicht verspielen?
Unsere Stärke ist die Innovation, die kulturelle Breite unserer Mitarbeitenden und die sehr schnelle Reaktion bei Marktveränderungen. Aufpassen müssen wir, dass wir dem Markt und den Unternehmen genügend Handlungsfreiheit belassen. Die zunehmende Reglementierung und die Bürokratisierung sind die grössten Feinde der Wettbewerbsstärke der Schweiz. Weiter erachte ich es als wichtig, dass wir vor allem mit den aufstrebenden Staaten in Asien Vereinbarungen wie Freihandelsabkommen abschliessen – und nicht den gleichen Weg gehen wie die EU, die aufgrund der Überreglementierung, Schuldenlast und hohen Steuern und Sozialabgaben jedes Jahr an Wettbewerbskraft gegenüber den aufstrebenden Staaten vor allem in Asien einbüsst.
Die Bertschi AG aus Dürrenäsch im Kanton Aargau ist ein global tätiger Logistikdienstleister und Marktführer im intermodalen Chemietransport auf Schiene, Strasse und Wasser in Europa. In der Schweiz beschäftigt das Unternehmen über 700 Mitarbeitende, weltweit sind es etwa 3’000. 1956 von den Gebrüdern Hans und Rolf gegründet, ist das Unternehmen auch heute noch im Besitz der Familie Bertschi.